Mit der Einführung der gleichgeschlechtlichen Ehe hat Thailand einen Meilenstein gesetzt und sich als Vorreiter in Südostasien sowie als gefragtes Reiseziel für die LGTBQ-Community positioniert. Diese positive Entwicklung steht im Kontrast zu einer zunehmend polarisierten Stimmung in vielen Teilen der Welt.
In den USA reduzieren Unternehmen unter politischem Druck ihre Diversitätsprogramme. Berichte über trans- und queerfeindliche Übergriffe häufen sich. Auch in Deutschland verdeutlichen Debatten, wie der Streit um die Regenbogenflagge am Bundestag oder die Absage des Christopher Street Day in Gelsenkirchen aufgrund einer „abstrakten Bedrohungslage“, dass das gesellschaftliche Klima aufgeheizt ist.
Warum sind LGBTQ-Reisen für Veranstalter attraktiv?
Trotz dieser Herausforderungen bleibt die Zielgruppe für die Reisebranche äußerst attraktiv. Studien prognostizieren, dass die weltweiten Ausgaben für Reisen von LSBTIQ-Tourist:innen bis 2032 mehr als 610 Milliarden US-Dollar erreichen werden. Gründe dafür sind eine überdurchschnittliche Kaufkraft, ein hoher Reiseanteil im Jahresverlauf sowie eine starke Vernetzung innerhalb einer globalen Community, die das Reiseverhalten zusätzlich beflügelt.
Besonders die Gruppe der schwulen Männer gilt vielen Anbietern als wirtschaftlich interessant, da sie im Durchschnitt höhere Einkommen haben und seltener Kinder im Haushalt leben als lesbische Frauen.
ITB Berlin – größte Plattform für Gay Travel
Eine zentrale Plattform für dieses Segment ist seit 2010 der „LGBTQ Travel Pavillion“ auf der weltgrößten Reisemesse ITB in Berlin. Während bei der Premiere nur drei Anbieter vertreten waren und es kein Rahmenprogramm gab, ist die Präsenz inzwischen deutlich gewachsen. Heute umfasst sie eine Networking-Lounge, eine dreitägige Fachkonferenz, Themenbeiträge in der allgemeinen ITB Convention sowie Events wie die ITB Diversity Gala im The Ritz-Carlton mit der Verleihung der ITB LGBTQ+ Tourism Awards. Damit ist der Pavillon zur weltweit größten Präsentationsfläche für Anbieter und Destinationen in diesem Marktsegment geworden.
Beliebte Reiseziele sind Metropolen mit aktiver Szene wie Berlin, Madrid und London. Schwule Männer bevorzugen im Sommer Orte wie Sitges nahe Barcelona und im Winter Gran Canaria oder Florida; daneben sind Ibiza, Mykonos, Torremolinos und italienische Küstenorte beliebt. Lesbische Frauen bevorzugen naturorientierte Reiseziele mit Wander- und Radfahrmöglichkeiten wie Lanzarote, Teneriffa oder Lesbos. Bei Reisen in die USA ist jedoch derzeit ein Rückgang zu verzeichnen – nicht, weil die Ziele unattraktiv wären, sondern aufgrund der politischen Lage, die Unsicherheit auslöst.
LGBTQ-Reisende erwarten von Hotels, Destinationen, Gastronomiebetrieben und Kreuzfahrt-Reedereien vor allem Gleichbehandlung. Probleme entstehen meist durch Unwissenheit oder fehlende Marktkenntnisse, beispielsweise wenn schwulen Paaren Doppelzimmer mit getrennten Betten zugewiesen werden. Schulungsprogramme wie jene von „Queer Destinations” helfen dabei, Personal und Institutionen für die Bedürfnisse der Zielgruppe zu sensibilisieren und so vertrauensvolle Partnerschaften aufzubauen. Großereignisse wie die World Pride in Washington, D.C., zeigen, wie erfolgreich dieser Austausch sein kann.
Häufige Fehler von Reiseveranstaltern
Ein häufiger Fehler von Veranstaltern ist das sogenannte Pinkwashing oder die Auflegung überteuerter Scheinangebote. Beides wird von der Zielgruppe schnell erkannt und kann dem Ruf dauerhaft schaden. Ebenso wichtig ist es, Klischees nicht zu bedienen. In den Medien wird Urlaub von LSBTIQ-Personen häufig als ausschweifende Poolparty dargestellt. Dabei spiegelt die Zielgruppe in ihrer Vielfalt die Gesamtgesellschaft weitgehend wider – mit ebenso unterschiedlichen Interessen, Lebensstilen und Reisebedürfnissen.
Auch die ITB selbst hat ihre Auswahlkriterien für offizielle Partnerländer verschärft. Seit einer Vertragsänderung müssen sich diese zu Diversität und Respekt gegenüber LSBTI-Rechten verpflichten. Albanien, das Gastland für 2025, hat dies ebenso zugesichert wie frühere Partnerländer. Internationale Aktivitäten wie der LGBT-Pavillon auf der ITB Asia in Singapur oder die „ITB LGBTQ Academy“-Konferenzen in Ländern wie Indien, Japan, Brasilien, Malta und Polen haben vor Ort mediale Aufmerksamkeit erzeugt und Diskussionen angestoßen.
Zu den aktuellen Branchentrends zählen wachsende Besucherzahlen bei Pride-Festivals, auch in kleineren Städten, spezialisierte Kreuzfahrten, Gay-only-Hotels sowie Ski-Angebote. Der Markt wächst qualitativ wie quantitativ. Das liegt nicht daran, dass LSBTI-Personen erstmals reisen können, sondern daran, dass das Angebot kontinuierlich ausgebaut wird und Reisende zunehmend auf maßgeschneiderte Produkte und authentische Ansprache setzen.