Ein UN-Experte warnt trotz bedeutender Fortschritte im kolumbianischen Rechtssystem vor der anhaltenden Kluft zwischen Gesetzen und der Realität queerer Menschen im Land. Diskriminierung, Gewalt und strukturelle Ausgrenzung seien dort nach wie vor an der Tagesordnung, besonders für trans Frauen, indigene Menschen, Migrant:innen und queere Aktivist:innen.
UN warnt vor zunehmender Gewalt gegen queere Menschen
Graeme Reid, unabhängiger UN-Experte für den Schutz vor Gewalt und Diskriminierung aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität, hat im Rahmen einer zweiwöchigen Recherchereise verschiedene Städte Kolumbiens besucht. Zwar hat die Regierung rechtliche Gleichstellung und Antidiskriminierungsmaßnahmen vorangetrieben, doch im Alltag erleben viele queere Menschen weiterhin Ablehnung und Übergriffe, wie Reid feststellte.
„Trotz der positiven rechtlichen Entwicklungen erfahren viele queere Menschen in Kolumbien im Alltag Diskriminierung und Gewalt“, so Reid. Besonders prekär sei die Lage für trans Frauen und Menschen, die zusätzlich mehrfacher Ausgrenzung ausgesetzt sind, etwa aufgrund ihrer Herkunft, Behinderung oder Migrationserfahrung.
Menschenrechtslage verschärft sich – auch für Aktivist:innen
Reids Besuch fällt in eine Zeit, in der die internationale Gemeinschaft zunehmend besorgt über die Menschenrechtslage in Kolumbien ist. Ein Bericht des UN-Ausschusses gegen gewaltsames Verschwindenlassen zeigt, dass in von illegalen bewaffneten Gruppen kontrollierten Regionen noch immer Menschen verschwinden, darunter queere Aktivist:innen und Gemeindevorsteher:innen.
Ein weiterer Bericht von ABColombia und kolumbianischen Basisorganisationen aus dem November 2024 dokumentiert geschlechtsspezifische Gewalt in alarmierendem Ausmaß. Jahrzehnte bewaffneter Konflikte haben brutale Gewalt gegen Frauen, Mädchen und queere Menschen in den Alltag eingebrannt. Besonders betroffen sind afrokolumbianische und indigene Frauen sowie lesbische und trans Aktivist:innen.
Forderung nach konkreten Maßnahmen über Gesetzestexte hinaus
Reid fordert die kolumbianische Regierung dazu auf, ihre Bemühungen nicht auf Gesetze zu beschränken. Notwendig seien gezielte Maßnahmen gegen strukturelle Diskriminierung, die systematische Erfassung von Daten, die Einbindung zivilgesellschaftlicher Gruppen sowie effektive Schutzmaßnahmen für queere Menschenrechtsverteidiger:innen.
„Die Gewalt gegen Menschen, die sich für Gleichberechtigung einsetzen, ist nicht nur tragisch, sondern behindert auch den gesellschaftlichen Fortschritt massiv“, betont Reid. Seine vollständigen Untersuchungsergebnisse will er im Juni 2026 dem UN-Menschenrechtsrat vorlegen.
Fazit
Kolumbien gilt oft als Vorreiter in Südamerika, wenn es um die Rechte von queeren Menschen geht. Doch die Realität vieler Betroffener ist von Gleichstellung weit entfernt. Wer eine Reise plant, sollte sich der gesellschaftlichen Spannungen bewusst sein, insbesondere abseits der großen Metropolen.