Pride-Veranstaltungen gelten oft als rauschende Feste: Sie sind bunt, laut und ausgelassen. Für manche Menschen, etwa Autisten oder andere neurodivergente Personen, sind genau diese Merkmale jedoch eine Herausforderung. Was als Feier der Vielfalt gedacht ist, kann für sie schnell zur Überforderung werden.
Sensorische Reizüberflutung: Wenn die Gay-Pride-Party zu viel wird
Paraden mit wummernden Beats, riesige Menschenmengen, grelle Lichter – viele klassische Pride-Elemente sind nicht für Menschen mit sensorischer Überempfindlichkeit geeignet. Während andere feiern, kämpfen neurodivergente Personen häufig mit Überreizung, Erschöpfung oder dem Gefühl, sich anpassen zu müssen. Dabei ist es in diesen Momenten oft schwer, auf die eigenen Bedürfnisse zu hören – schließlich geht es bei der Pride doch ums „Dabeisein“.
Neuer Ansatz für Autisten und neurodivergente Gays
Ein Erlebnis beim Melbourne Pride in Australien hat gezeigt, dass es auch anders geht. Eine Gruppe schwuler, neurodivergenter Freunde hat den Trubel der Hauptveranstaltung gegen ein kleines koreanisches Restaurant eingetauscht. Dieses lag nur wenige Schritte vom Festival entfernt, bot aber eine ganz andere Welt. Bei gutem Essen, leiser Musik und Gesprächen ohne Reizüberflutung entstand ein anderes Gefühl von Pride: leiser, achtsamer, aber nicht weniger bedeutungsvoll.
Dieses Erlebnis markierte einen Wendepunkt. Denn Pride muss nicht immer laut und schrill sein, um erfüllend zu sein. Es geht auch um Verbindung und Gemeinschaft – und manchmal ist ein ruhiger Abend unter Vertrauten genau das, was man braucht.
Pride neu denken: Mehr Vielfalt in der Vielfalt
Inzwischen gibt es erste Ansätze, um Pride zugänglicher zu gestalten: Es gibt Rückzugsräume, Events mit gedämpfter Lautstärke oder alkoholfreie Alternativen abseits des Mainstreams. Doch solche Angebote sind noch selten. Deshalb organisieren viele ihre eigenen Formen des Feierns, sei es ein gemeinsames Picknick, ein Spaziergang oder ein gemütlicher Abend mit Freund:innen. Diese Momente wirken auf den ersten Blick vielleicht unscheinbar, sind für viele aber der eigentliche Kern von Pride: Zugehörigkeit, Freude und gelebte Authentizität.
Leise Freude ist auch Freude
Die Vorstellung, dass Pride immer laut, wild und schrill sein muss, schließt viele Menschen aus. Für neurodivergente Personen ist es oft ein Akt der Selbstfürsorge – und damit auch ein Akt des Stolzes –, sich für alternative Wege zu entscheiden. Das bedeutet nicht, dass große Paraden grundsätzlich falsch sind. Es braucht jedoch ein Bewusstsein dafür, dass es verschiedene Arten gibt, Teil der Bewegung zu sein.
Pride kann auch ein Ort sein, an dem man einfach nur atmet. In einem Raum, der nicht überfordert. In einer Umgebung, die Rücksicht nimmt. Es geht nicht darum, sich zurückzuziehen, sondern darum, sich Raum zu nehmen. Und genau das ist für viele Menschen eine Form der Selbstbestimmung, die nicht leiser, sondern nur anders ist.