Bisher gelten Piloten, bei denen eine HIV-Infektion diagnostiziert wurde, als flugdienstuntauglich. Die deutsche Pilotenvereinigung Cockpit e. V. fordert nun ein Umdenken und die Abschaffung dieser Regelung, die nicht mehr dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht.
Dank moderner Therapien sind Menschen mit HIV heute in der Lage, jeden Beruf auszuüben, auch anspruchsvolle Tätigkeiten wie die des Piloten. Dennoch sind sie in der Luftfahrt nach wie vor benachteiligt: Aktuelle Richtlinien schließen sie pauschal aus oder erlauben nur eingeschränkte Lizenzen – unabhängig von ihrem tatsächlichen Gesundheitszustand. Für angehende Piloten bedeutet eine HIV-Diagnose oft das Aus ihrer Karrierepläne.
Neue Impulse zum Welt-Aids-Tag
Anlässlich des Welt-Aids-Tages 2024 hat die Arbeitsgruppe Diversity & Social“ des Cockpit e. V. das Positionspapier Fliegen mit HIV“ veröffentlicht. Darin kritisiert der Verein die EU-weiten Regelungen, die seit 2008 nahezu unverändert geblieben sind, obwohl sie längst überholt sind. Die pauschale Bewertung von HIV als Hindernis für die Flugtauglichkeit verstößt nach Ansicht von Cockpit e. V. sogar gegen das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz.
In Großbritannien gab es 2018 einen ersten Vorstoß, die Regelungen zu überarbeiten. Forschungsgelder zur Untersuchung der medizinischen Tauglichkeit von Piloten mit HIV wurden bereitgestellt, aber nicht abgerufen. Seitdem herrscht Stillstand – ein Zustand, den Cockpit e. V. ändern will. „Wir setzen uns dafür ein, dass die notwendigen Studien wieder finanziert und durchgeführt werden“, betont Tobias Hinsch, Leiter der Arbeitsgruppe.
Nationale Lösungen als Vorreiter
Gemeinsam mit dem europäischen Dachverband ECA will Cockpit e. V. den Dialog mit der Europäischen Agentur für Flugsicherheit wieder aufnehmen. Aber auch auf nationaler Ebene könnten erste Schritte unternommen werden: Deutschland hätte die Möglichkeit, von den europäischen Regelungen abzuweichen und Pilot*innen mit HIV den Weg ins Cockpit zu ebnen, ohne auf eine europaweite Gesetzesänderung zu warten.
Die Realität hat sich längst verändert. Menschen mit HIV müssen endlich auch in der Luftfahrt voll akzeptiert werden
Vivianne Rehaag, Vorstandsmitglied von Cockpit e. V.
Prävention, Aufklärung und Entstigmatisierung
Der Verband fordert nicht nur eine Anpassung der medizinischen Richtlinien, sondern auch eine umfassende Aufklärung innerhalb der Fluggesellschaften. Personalabteilungen müssten besser über das Thema HIV informiert werden, um Diskriminierung zu vermeiden. Zudem müssten Pilot*innen Zugang zu Präventionsmaßnahmen wie der Präexpositionsprophylaxe (PrEP) erhalten – ein Medikament, dessen Einnahme bislang sogar zur vorübergehenden Fluguntauglichkeit führen kann.
Auch die Deutsche AIDS-Hilfe unterstützt das Positionspapier. „Es ist längst überfällig, dass medizinische Fakten die Grundlage für berufliche Eignungsbewertungen bilden“, sagt Kerstin Mörsch. „Menschen mit HIV sind genauso leistungsfähig wie ihre Kolleg*innen.“
Eine Frage der Gerechtigkeit
Die Luftfahrtbranche steht an einem Wendepunkt: Der Zugang zum Pilotenberuf darf nicht länger durch überholte Vorurteile blockiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass das Engagement von Cockpit e. V. dazu beiträgt, diese Hürde endgültig zu überwinden – für mehr Chancengleichheit und weniger Stigmatisierung.