Aktivist:innen in der Karibik feiern einen Meilenstein für die Rechte von queeren Menschen: Das oberste Gericht der Ostkaribik hat die Strafgesetze gegen einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sex in St. Lucia für verfassungswidrig erklärt. Damit wird ein koloniales Erbe beseitigt, das für homosexuelle Handlungen bis zu zehn Jahre Gefängnis vorsah, wenngleich das Gesetz in der Praxis zuletzt kaum durchgesetzt wurde.
Schritt in Richtung Gleichberechtigung
In einer gemeinsamen Stellungnahme gegenüber The Guardian äußerten sich die Kläger:innen des Verfahrens: „Dieses Urteil ist zutiefst persönlich. Es geht nicht darum, Überzeugungen zu ändern, sondern um Fairness. Diese Gesetze waren veraltet und verletzten grundlegende Menschenrechte.“
Auch Veronica Cenac, die als Anwältin an dem Fall mitarbeitete, betonte: „Viele glauben, diese Gesetze seien Teil unserer Kultur. Doch sie wurden uns während der Kolonialzeit auferlegt. Sie sind kein authentischer Ausdruck unserer Identität.“
Die NGO Human Dignity Trust, die den Fall unterstützte, machte deutlich: „Schon die Existenz solcher Gesetze ist eine Menschenrechtsverletzung und begünstigt weitere Diskriminierung.“
Etappensieg – aber keine Sicherheit
Mit diesem Urteil reiht sich St. Lucia in eine wachsende Zahl von Karibikstaaten ein, die in den letzten Jahren ähnliche Gesetze abgeschafft haben, darunter Barbados, Antigua und Barbuda, St. Kitts und Nevis sowie Dominica. In fünf Ländern der Region gelten die alten Gesetze jedoch weiterhin: Jamaika, Grenada, Guyana, St. Vincent und die Grenadinen sowie Trinidad und Tobago.
Kenita Placide, Direktor:in der Eastern Caribbean Alliance for Diversity and Equality, zeigte sich emotional: „Es ist selten, dass wir als Aktivist:innen den Erfolg unserer Arbeit direkt erleben.“ Gleichzeitig warnte Placide vor zu viel Euphorie: „Das Urteil bedeutet nicht, dass wir jetzt einfach eine Pride-Parade feiern können, ohne über Sicherheit nachzudenken.“
Denn Gewalt gegen queere Menschen bleibt ein Problem – auch in St. Lucia. Mehrere schwule Männer wurden auf der Insel in der Vergangenheit brutal ermordet. Placide macht deutlich: „Das Gesetz zu ändern, ist nur die halbe Miete. Die andere Hälfte besteht darin, Herzen und Köpfe zu verändern, damit wir in unserer Gesellschaft leben können, ohne wegen unserer sexuellen Orientierung Angst haben zu müssen.“
Hoffnung für die Region
Téa Braun, die Geschäftsführerin des Human Dignity Trust, spricht von einem „bedeutenden Sieg für die LGBT-Community in der Karibik“. Damit bleiben in der westlichen Hemisphäre nur noch fünf Staaten, die einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sex kriminalisieren.
Auch aus Trinidad und Tobago, wo kürzlich ein Gerichtsurteil zu diesem Thema aufgehoben wurde, kommen positive Signale. Sharon Mottley, Programmmanagerin der ILGA für Nordamerika und die Karibik, sagte: „Trotz Rückschlägen haben wir am 20. Juli unsere Pride Parade durch Port of Spain veranstaltet – als klare Botschaft: Wir sind hier, wir bleiben und wir lassen uns nicht kriminalisieren.“