Türkei plant neues Gesetz: Queere Identität soll kriminalisiert werden

Ein neuer Gesetzesentwurf der türkischen Regierung sorgt international für Besorgnis. Geplant ist, das Strafgesetzbuch um Formulierungen zu erweitern, die jegliches als „nicht mit dem biologischen Geschlecht und der allgemeinen Moral vereinbar“ geltendes Verhalten unter Strafe stellen könnten. Damit würde queeres Leben faktisch kriminalisiert werden.

Für viele Betroffene bedeutet der Entwurf eine existenzielle Bedrohung. Insbesondere Menschen, die sich offen zu ihrer Identität bekennen, sehen sich zunehmender Unsicherheit, sozialem Druck und staatlicher Kontrolle ausgesetzt.

Menschenrechtsorganisationen üben massive Kritik.

Internationale Organisationen wie Human Rights Watch und Amnesty International sprechen von einem der gravierendsten Rückschritte in der jüngeren Geschichte der Türkei. Der Gesetzestext lässt weite Interpretationsspielräume zu und könnte bereits aufgrund von Kleidung, Auftreten oder Selbstdarstellung zu strafrechtlichen Konsequenzen führen.

Zudem sieht der Entwurf vor, das Mindestalter für geschlechtsangleichende Operationen von 18 auf 25 Jahre zu erhöhen, was trans Personen erheblich einschränken würde.

Von politischer Rhetorik zur staatlichen Doktrin

Die aktuelle Regierung hat in den vergangenen Jahren eine zunehmend konservative Linie eingeschlagen. Queere Menschen werden in offiziellen Reden regelmäßig als Gefahr für die traditionelle Familie dargestellt. Diese Rhetorik ist längst Teil der Staatsdoktrin geworden und wird durch groß angelegte Kampagnen des Familienministeriums gestützt, die traditionelle Werte betonen und alternative Lebensweisen abwerten.

Verschärfte Lage in Istanbul und anderen Städten

In Städten wie Istanbul, die lange als vergleichsweise offen galten, hat sich die Situation deutlich verschlechtert. Pride-Veranstaltungen werden seit Jahren verboten, Bars und Clubs müssen nach wiederholten Polizeikontrollen schließen und viele queere Menschen ziehen sich zunehmend aus der Öffentlichkeit zurück.

Einst lebendige Treffpunkte sind verschwunden, während sich die Szene immer weiter in private Räume oder das Internet verlagert. Viele, die sich bisher engagiert oder künstlerisch ausgedrückt haben, denken darüber nach, das Land zu verlassen.

Internationale Reaktionen und Ausblick

Die internationale Kritik wächst. Menschenrechtsorganisationen fordern die türkische Regierung auf, den Entwurf zurückzunehmen und die Grundrechte auf freie Entfaltung und Selbstbestimmung zu wahren. Sollte das Gesetz dennoch verabschiedet werden, drohen Menschen, die nicht den staatlich definierten Moralvorstellungen entsprechen, Haftstrafen von bis zu drei Jahren.

Die Entwicklungen in der Türkei werden zum Prüfstein für den Umgang mit Vielfalt und Menschenrechten in der Region. Der Gesetzentwurf macht deutlich, wie fragil gesellschaftliche Freiräume sein können, wenn politische Ideologie über individuelle Freiheit gestellt wird.

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